Ungünstige Arbeitsbedingungen machen MitarbeiterInnen krank. Um dies zu verhindern, müssen Unternehmen eine betriebliche Gesundheitskultur schaffen, in der die Führungskräfte auf die MitarbeiterInnen mehr achten. Und in Zeiten von Lockdown und Homeoffice umso mehr!
Gesundheit ist ein hohes Gut. Besonders in Krisenzeiten, die mit zusätzlichen Belastungen einhergehen, kommt dem Erhalt der Leistungsfähigkeit eine wichtige Bedeutung zu. Wohl auch aus diesem Grund investieren mehr und mehr Menschen Zeit und Geld, um aktiv für ihre Gesundheit vorzusorgen. Umso mehr verwundert es, dass dieser Trend an vielen Unternehmen vorbeizieht und das gesundheitliche Engagement von MitarbeiterInnen nicht unterstützt wird. Schließlich verursacht Krankheit mehr als nur finanzielle Kosten: In Zeiten knapper Personalressourcen führt jeder Ausfall zu Engpässen. Die verbleibenden MitarbeiterInnen müssen diese zusätzlich zu dem ohnehin schon anspruchsvollen Aufgabenspektrum bewältigen. In der Folge leiden Produktion und Arbeitsqualität, die Kundenzufriedenheit wird gefährdet. Außerdem ist Ersatz für langfristig ausfallende MitarbeiterInnen immer schwerer am Markt zu rekrutieren.
Ein Unternehmen, das die Kapazitätsauslastung der Beschäftigten um jeden Preis zu optimieren versucht, ohne dabei deren Ansprüche an ein akzeptables Arbeitsumfeld angemessen zu berücksichtigen, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn die „Ressource Mensch“ ist nicht an betriebswirtschaftlich messbare Funktionalitäten gebunden – sie (re)agiert auf Basis ihrer eigenen Einstellungen und Wertmaßstäbe.
In Gesundheitscoachings berichten die Betroffenen fast ausnahmslos von ungünstigen Arbeitsbedingungen, die sie selbst nicht beeinflussen können. In empirischen Studien zur betrieblichen Gesundheit nennen sie als Belastungsfaktoren zu hohen Zeitdruck, unklare Arbeitsanweisungen, sich ständig verändernde Ablaufprozesse und ein schlechtes Betriebsklima. Jetzt kommt auch noch das Thema „Homeoffice“ ins Spiel! Die alljährliche infas-Umfrage (www.infas.de) weist seit Jahren konstant eine Zahl von mehr als 25 Prozent aller Beschäftigten aus, die sich von ihrer Arbeit ausgebrannt fühlen. Eine weitere regelmäßig von Gallup (Gallup Engagement Index Deutschland, http://www.gallup.de) durchgeführte Studie belegt eine wachsende Zahl von Fach- und Führungskräften, die aus den genannten Gründen ihren Job innerlich kündigen. Diese Ergebnisse werden von den Jahresreports der Krankenkassen unterstrichen, die eine drastische Zunahme der psychosozialen Erkrankungen wie Burn‑out und Depression bei Berufstätigen ausweisen. Anders als ein Schnupfen gehen diese Krankheitsbilder häufig mit mehrmonatigen Ausfällen einher. Vor diesem Hintergrund tut jede Unternehmensleitung gut daran, ihr Augenmerk auf Arbeitsbedingungen zu richten, die dem Erhalt der Gesundheit dienen.
Gewöhnlich endet das unternehmerische Gesundheitsverständnis bei Maßnahmen des betriebsärztlichen Dienstes und der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Alles Weitere gilt als Privatsache der MitarbeiterInnen. Häufig werden mögliche betriebsbedingte Problematiken komplett negiert. Hingegen wird eine Unternehmensführung, die die Gesundheit der MitarbeiterInnen als wertvolle Ressource begreift, Krankheitsfälle als Signal für ein ineffizientes Arbeitsumfeld betrachten und verantwortungsbewusst handeln. Die Verantwortung für Gesundheit am Arbeitsplatz liegt gleichermaßen bei den MitarbeiterInnen und den Führungskräften eines Unternehmens. Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Gesundheit der Einzelnen sowohl von der eigenen Arbeits- und Lebensweise als auch den jeweiligen Rahmenbedingungen beeinflusst. Zu den unternehmerischen Aufgaben zählen die Ausgestaltung des betrieblichen Umfelds mit geeigneten Arbeitsmitteln und die Implementierung einer entsprechenden Führungskultur und angemessener Prozesse.
Dieser Ansatz erfordert ein systematisches Gesundheitsmanagement, das weit über die Aufgaben von BetriebsärztInnen hinausgeht. Dabei sind die Unternehmensleitung und Führungskräfte ebenso wie der Betriebsrat und die Personalabteilung einzubeziehen. Kritischer Erfolgsfaktor für die Einführung gesunder Arbeitsbedingungen sind die Führungskräfte. Nur wenn es gelingt, sie zu einem gesundheitsfördernden Führungsverhalten zu veranlassen, werden sich die guten Absichten der Unternehmensleitung mit Leben füllen. Worauf ist also zu achten?
- Arbeitsdauer: Gehen MitarbeiterInnen pünktlich nach Hause, wenn sie ihre Arbeit getan haben? Oder herrscht eine Anwesenheitskultur, gemäß der man länger bleibt, nur weil andere noch am Schreibtisch sitzen? Gibt es entsprechende Regelungen für Arbeiten von zuhause?
- Jahresurlaub: Wird bei der Urlaubsplanung berücksichtigt, dass mindestens einmal im Jahr mehrere Wochen am Stück genommen werden, damit eine nachhaltige Regeneration möglich ist?
- Pausenzeiten: Gibt es genügend Pausen und werden Teamsitzungen weder zur Mittagspause noch nach Ende der Gleitzeit angesetzt? Und wie sieht das aktuelle während des Lockdowns aus?
- Gesunde Ernährung: Haben die MitarbeiterInnen die Möglichkeit, sich auch am Arbeitsplatz gesund zu ernähren?
- Planbarkeit sportlicher Aktivitäten: Werden kurzfristig eingestreute Arbeitsaufträge oder Meetings vermieden, sodass feste Sporttermine in der Woche regelmäßig wahrgenommen werden können?
- Gesundheitsfördernde Angebote: Umfasst die betriebliche Weiterbildung auch Maßnahmen, die eine der Gesundheit dienliche Selbststeuerung fördern? MitarbeiterInnen, die häufig krank sind, sollten dazu angeregt werden, von betrieblichen Gesundheitsangeboten Gebrauch zu machen.
- Achtsamkeit & Wertschätzung: Sind sich die MitarbeiterInnen ihrer eigenen Gesundheitsthemen bewusst, informieren sie sich und geben sie ihr Wissen an andere weiter?
Dieser Aufwand lohnt sich. Denn Gesundheit ist längst nicht mehr Privatsache Einzelner, sondern ein harter Wirtschaftsfaktor. Zahlreiche Studien belegen, dass sich Gesundheitsförderung für Unternehmen finanziell messbar bezahlt macht. Darüber hinaus folgen Unternehmen, die betriebliche Gesundheitsförderung betreiben, automatisch dem Ruf nach nachhaltigem Wirtschaften. Sie machen deutlich, auf welche Werte sie sich beziehen. Damit trägt ein wertschätzendes Arbeitsumfeld zu einem attraktiven Employer Branding bei – und damit zur Bindung qualifizierter Fachkräfte, KundInnen und InvestorInnen.